Es besteht nach wie vor keine allgemeine Übereinkunft darüber,
was ADHS ist und wie damit umgegangen werden soll. Das Konzept
einer genetisch bedingten Erkrankung mit biologischem Korrelat,
für das wirksame Arzneimittel zur Verfügung stehen, ist nicht
unumstritten. Die als Kernsymptome des ADHS definierten Verhaltensweisen
– Hyperaktivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit
– sind bis zu einem gewissen Grad bei allen Kindern zu finden. Sie
können daher als Extremvariante normalen Verhaltens betrachtet
werden. Die Einschätzung des kindlichen Verhaltens als normal
oder gestört auf der Basis der international definierten diagnostischen
Kriterien (DSM IV, ICD 10*) ist in hohem Maße von der Toleranz
des Untersuchers abhängig. Trotz immenser Forschung ist eine biologische
Ursache nach wie vor nicht gesichert.
Kritiker des Konzepts sind insbesondere alarmiert durch den
drastischen Anstieg der Verordnungen von Psychostimulanzien, in
erster Linie Methylphenidat (RITALIN u.a.). In Deutschland ist die
Verordnungshäufigkeit seit Ende der 90er Jahre erneut um das Vierfache
gestiegen (1998 4,7 Mio., 2003 19,8 Mio. Tagesdosierungen). Zunehmend werden offenbar auch Kinder im Vorschulalter
behandelt, für die Methylphenidat nicht zugelassen ist. Zwar sind
kurzfristige Effekte auf die so genannten Kernsymptome in Studien
belegt. Der langfristige Einfluss auf die schulische, berufliche oder
soziale Entwicklung ist jedoch nicht bekannt. Ebenso fehlen kontrollierte
Erfahrungen zur Langzeitsicherheit: So ist nach wie vor wenig
über die Auswirkungen auf die Gehirnreifung von jahrelang mit
amphetaminartigen Substanzen behandelten Kindern bekannt. Tierexperimentelle
Daten lassen einen Anstieg von PARKINSON-Erkrankungen
bei chronischer Einnahme befürchten.
Neben Psychostimulanzien ist die Wirksamkeit von trizyklischen Antidepressiva
wie Desipramin (PETYLYL) und Imipramin (TOFRANIL
u.a.) in klinischen Studien untersucht worden.
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