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Ritalin enthält Methylphenidat, einen Amphetamin-Verwandten, und fällt daher weltweit unter das Betäubungs-
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Ritalin wird in der Szene als Speed angeboten. Speed kann Schäden im Bereich der Hirnsubstanz und damit bleibende psychische Defekte erzeugen

Ritalin ist im Sport nicht zugelassen - besonders in Internationalen Wettkämpfen (Doping)

Ritalin
in Kombination mit anderen Drogen kann zu Vergiftungen (Intoxikationen) führen



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Das ist doch hirnrissig
Die Weltwoche, 23. Juli 2006;
Von Mathias Plüss und Stefan Scheytt

Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer rät dringend:
Fernseher abschalten, wegwerfen! Ohne Kiste sieht man plötzlich einen neuen Hoffnungsflimmer.

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Egal, was grad am Fernsehen läuft – für die Köpfe, Herzen und Bäuche der Kinder ist jede Sendung Schrott.

Herr Spitzer, Sie haben mal gesagt, dass wir Westeuropäer in dreissig Jahren die T-Shirts für China nähen werden. Was treibt einen Hirnforscher zu solcher Panikmache?
Das ist keine Panikmache, sondern die absehbare Folge unbestreitbarer Fakten. Der wirtschaftliche Erfolg eines Landes hängt letztlich vom Bildungsniveau ab, und das Bildungsniveau steht in direktem Zusammenhang mit dem Fernsehkonsum. Der massiv gestiegene TV-Konsum unserer Kinder bedroht – nach allem, was wir wissen – unsere wirtschaftliche Zukunft.
     
Was hat denn das Fernsehen mit der Bildung zu tun?
Es gibt zahlreiche Untersuchungen, die einen Zusammenhang belegen. Die beste kam im vergangenen Jahr aus Neuseeland: Dort hat man mehr als tausend Menschen vom Babyalter an dreissig Jahre lang begleitet und auch ihren Fernsehkonsum dokumentiert. In der Gruppe, die im Alter von fünf Jahren weniger als eine Stunde täglich ferngesehen hat, haben heute über vierzig Prozent einen Hochschulabschluss; nur knapp zehn Prozent haben die Schule abgebrochen. In der Gruppe, die täglich mehr als drei Stunden vor dem Fernseher sass, haben gerade mal zehn Prozent ein Studium erfolgreich beendet, und 25 Prozent haben gar keinen Schulabschluss.

Das sagt doch nur, dass die Dummen häufiger fernsehen und dadurch auch nicht gerade klüger werden.
Nein, man kann individuelle Faktoren wie den IQ oder die finanzielle Situation der Familie herausrechnen, und trotzdem bleibt der Zusammenhang zwischen TV-Konsum und Bildungsabschluss bestehen. Wenn man jetzt weiss, dass der Fernsehkonsum deutscher Kinder heute bei etwa drei Stunden am Tag liegt, dann sind diese Kinder vergleichbar mit jener «Verlierer»-Gruppe in Neuseeland. Sie können also leicht ausrechnen, wo wir in dreissig Jahren mit unserem Bildungsniveau und unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit stehen.

US-Amerikaner als Dauerglotzer müssten dann die Dümmsten weit und breit sein.

Das sind sie auch, wenn man die vielen bildungshungrigen Einwanderer abzieht, von denen die Hochschulen und Unternehmen profitieren.


«Die Erfinderin der Teletubbies ist verantwortlich für die geringere Lebenserwartung von vielen
tausend Kindern»

Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer, 48.
Ärztlicher Direktor
Universitätsklinik für Psychiatrie

89075 Ulm
www.uni-ulm.de
Bild: Cira Moro

In Westeuropa steigt der Fernsehkonsum nun schon seit Jahrzehnten. Wenn Ihre These stimmt, müssten wir auch hier schon Anzeichen von Verdummung bemerken.
Hören Sie sich doch um: Lehrer können das Unterrichtsniveau von früher nicht mehr halten, Professoren klagen über das sinkende Leistungsvermögen ihrer Studenten, Firmen haben Probleme, halbwegs qualifizierte Lehrlinge zu finden. Die Kenntnisse gehen runter wie ein Fahrstuhl. Warum? Weil Bildschirm- und Medienkonsum für unsere Kinder und Jugendlichen heute nach dem Schlafen die zweithäufigste Tätigkeit überhaupt ist. Die zweithäufigste! Erst an dritter Stelle kommt die Schule und dann die anderen Freizeitaktivitäten. Und wenn man bedenkt, was die für einen Müll anschauen, kann man schon in Sorge sein, dass das nicht gut geht.

Warum ist Fernsehen so schädlich?
Weil es die Gehirnentwicklung behindert. Als Metapher benütze ich dafür gerne die Spuren im Schnee: Im Gehirn laufen ständig Impulse über die Synapsen der Nervenzellen; das passiert schon im Mutterleib, wenn das Ungeborene seine Umwelt ertastet oder Geräusche hört. Wenn solche Impulse immer wieder ähnlich ablaufen, entstehen Spuren, und je öfter diese Spuren benutzt werden, umso mehr verfestigen sie sich, wie bei einem Trampelpfad im Tiefschnee. Diese Spurenbildung nennen wir Lernen.

Wäre da nicht gerade das Fernsehen mit seiner Überfülle an Geräuschen und Geschehen ein wunderbares Stimulans zur Spurenbildung?
So denken viele, aber das ist nicht der Fall. Denn aus dem Gerät quillt nur ein schlecht koordinierter Bild- und Ton-Brei. Der Ton kommt aus versteckten Lautsprechern und stimmt oft nicht mit dem Bild überein. Ein erwachsenes Gehirn kann diese Lücken von selbst füllen, weil schon genügend Spuren gelegt sind. Aber stellen Sie sich ein Babygehirn vor, das gerade erst dabei ist, den Tastsinn, den Hörsinn, den Geruchsinn zu kalibrieren, um überhaupt erst mal zu begreifen, was ein Objekt ist. Und diesem Gehirn setzt das Fernsehen zweidimensionale Bilder von dreidimensionalen Dingen vor, die man nicht anfassen, nicht schmecken und nicht riechen kann. Im Gehirn entstehen dadurch nur unscharfe Spuren. So kann man überhaupt erst den Befund verstehen, dass der TV-Konsum im Alter von fünf Jahren darüber entscheidet, ob jemand einen Uniabschluss machen kann.

Fernsehen macht nicht nur dumm, sagen Sie, sondern auch dick.
In der Tat: Allein der gewichtsfördernde Effekt des Fernsehens führt in Deutschland zu 20000 Toten jährlich. Nach seriösen wissenschaftlichen Studien kann man bei etwa einem Sechstel der dicken Erwachsenen deren Fernsehkonsum als Ursache ihrer Dickleibigkeit ansehen. Und wie Dickleibigkeit die Lebenserwartung vermindert, ist ja nun zur Genüge bekannt. Man kann deshalb sagen, dass etwa die Erfinderin der Teletubbies, Anne Wood, dafür verantwortlich ist, dass viele tausend Kinder eine geringere Lebenserwartung haben. Sendungen wie die Teletubbies sind eine Einstiegsdroge, und es ist mir schleierhaft, warum man die Erfinderin auch noch für ihre Kreation adeln musste.

Ihre dritte These: Fernsehen macht gewalttätig.
Genau, und zwar wiederum dosisabhängig: Je höher der Fernsehkonsum in jungen Jahren, desto höher die Gewaltbereitschaft, desto höher die Wahrscheinlichkeit, im Knast zu landen.

Da konstruieren Sie aber sehr zweifelhafte Kausalitäten.
Überhaupt nicht, die Datenlage aus unzähligen Studien ist überwältigend. Nur ein Beispiel: In den neunziger Jahren untersuchte man in den USA 700 Familien aus dem ländlichen Milieu – also die heile, religiös geprägte Welt der weissen Mittelschicht. Man hat den TV-Konsum der Kinder ermittelt und das mit der realen Gewalt anhand von Polizeiakten in Beziehung gesetzt. Und siehe da: Wer mehr fernsieht, taucht auch öfter in den Akten auf; das gilt auch für Mädchen und für die ursprünglich ganz Friedlichen, selbst die treibt das Fernsehen zu Gewaltausbrüchen.

Korrelationen sind keine Beweise.
Wenn Ihnen die Korrelationen nicht genügen, dann nehmen Sie Experimente, die man mit Kindern hundertfach gemacht hat und die diese Ursache-Wirkung-Beziehung ebenfalls belegen: Kinder sind gewalttätiger, wenn sie zuvor Gewalt gesehen haben. Sie können an jeder Studie irgendetwas zu Recht kritisieren, aber es fuchst mich, wenn man die überwältigende Tendenz all dieser Untersuchungen einfach ignoriert. Dass Fernsehen dumm, dick und gewalttätig macht, ist die plausibelste Geschichte, die man aus all den Daten lesen kann. Das ist wie bei der Klimaerwärmung, wo manche ihre Tatenlosigkeit mit dem Argument begründen, man müsse erst noch zehn Jahre forschen, weil man noch zu wenig wisse. Mein Punkt beim Fernsehen ist: Wir wissen wahrhaftig genug, um jetzt zu reagieren.

Aber warum steigert das Fernsehen die Gewaltbereitschaft?
Wenn ein Amerikaner 18 ist, hat er im Durchschnitt 32000 Morde im Fernsehen gesehen, bei Kabelanschluss mehr. Diese Sinnes- eindrücke werden im Gehirn nicht einfach ablegt, sondern ständig weiter verarbeitet. Dazu muss man wissen, dass von zehn Millionen Nervenzellverbindungen im Gehirn nur eine einzige hinein- oder hinausführt, also sozusagen auf Aussenkontakt angelegt ist. Die anderen 9999999 sind gehirninterne Verbindungen, über die äussere Eindrücke weiterverarbeitet werden. Und wenn Sie 32000 TV-Morde intus haben, beschäftigt sich Ihr Gehirn zwangsläufig oft und lange damit, ob Sie es wollen oder nicht.

Nur weil ein Gehirn Fernsehmorde verarbeitet, wird der Mensch noch lange nicht zum Mörder.
Natürlich nicht, aber alles, was wirkt, hat Risiken und Nebenwirkungen, auch das Fernsehen. Und meine Aufgabe ist es, darauf hinzuweisen. Der Zusammenhang ist ein statistischer, wie beim Rauchen und Lungenkrebs.

Also alle Fernsehgeräte auf den Müll?
Nein, aber auf jeden Fall ausserhalb der Reichweite von Kindern und Jugendlichen, damit sie nicht wahllos und unkontrolliert schauen.

Nicht mal eine halbe Stunde am Tag oder zwei am Wochenende?
Das ist doch hirnrissig. Wenn Ihnen Ihr Arzt sagt, dass Sie beim Konsum eines Kilos Tollkirschen sterben, betteln Sie doch auch nicht darum, wenigstens drei essen zu dürfen. Falls Sie immer noch zweifeln: Fernsehen beeinträchtigt auch die Knochenentwicklung, erhöht das Risiko für einen Herzinfarkt und vieles mehr, das ist alles durch Studien belegt. Wer kann denn da sein Kind noch vor dem Fernsehgerät hocken lassen? Die schädlichen Effekte sind offenkundig – also weg mit der Kiste. Punkt.

Wie halten Sie es denn mit Ihren eigenen Kindern?
Als unsere fünf Kinder noch kleiner waren, gab es fast jeden Abend Streit über das Programm. Meine Frau und ich haben dann beschlossen, dass der Fernseher weg kommt. Es gab natürlich einen Zwergenaufstand, aber sie haben sich ganz schnell daran gewöhnt und sind heute sogar fast ein bisschen froh darüber.

Aber Ihre Kinder können nie mitreden, wenn Freunde über Sendungen sprechen, die gerade «in» sind.
Ach, das ist die altbekannte Aussenseiter-These. Das Gegenteil ist aber richtig: Es ist das Fernsehen, das die Kinder einsam und zu Aussenseitern macht – weil sie mehr Zeit allein verbringen. Meine Kinder schauen übrigens auch schon mal bei den Nachbarkindern fern. Und das verbessert nicht nur ihr Wissen über gewisse Sendungen, sondern auch ihr soziales Verhalten. Da müssen sie nämlich klingeln und freundlich fragen.

Gilt Ihre Ablehnung eigentlich auch dem Computer?
Auch der Computer tut der geistigen Entwicklung der Jüngeren nicht gut. Ich rate davon ab.

Aber man sitzt nicht nur passiv davor wie beim Fernseher, sondern kann eine Menge Vernünftiges damit anstellen.
Da bin ich sehr skeptisch. Zeigen Sie mir den Zwölfjährigen, der auf dem Computer keine blutigen Ballerspiele spielt. Und den Sechzehnjährigen, der nicht zu LAN-Partys will, wo sie nächtelang vor dem Gerät sitzen. Es sind eben nicht die Französischvokabeln und die Informationen über die Flora und Fauna Brasiliens, die sich die Kinder auf den Bildschirm holen. Was Kinder und Jugendliche lernen müssen, lernen sie viel besser ohne Computer. Ich selber nutze ja das Internet als Wissenschaftler und weiss genau, wo es mir helfen kann und wo nicht, weil ich Vorwissen habe. Wenn ich aber als Schüler ganz am Anfang des Wissenserwerbs stehe, nützt mir das Internet sehr wenig, weil ich da sehr viel ungefilterten Schrott bekomme. Ein gutes Buch ist als Lernmittel dem Internet haushoch überlegen.

Sie würden alle Computer von der Schule verbannen?
Ich würde erst gar keine anschaffen und das Geld lieber für zusätzliche Lehrer ausgeben. Die Geräte veralten doch so schnell, dass man im Grunde dauernd in Müll investiert. In Baden-Württemberg beschäftigen sich zweihundert Lehrer mit der Administration von Computern statt mit den Kindern – das ist ein Skandal.

Schule ohne Computer – damit ruinieren Sie die berufliche Zukunft vieler Kinder. Wenn die erst mit 18 anfangen, ist es längst zu spät.
Das ist nun wirklich Quatsch. Das Auto zum Beispiel braucht man auch für viele Berufe, und trotzdem lernt man Autofahren nicht in der Schule. Wenn selbst wir Deutschen als Autofahrernation uns entschliessen, den Führerschein nicht in der Schule zu machen, können wir dort auch auf Internetführerscheine und die ganze Computerei verzichten. Es ist wie mit unzähligen anderen Fertigkeiten: Wer es braucht, lernt es zu gegebener Zeit selber – dazu brauchen wir nicht die Schule. Aber Bill Gates hat es geschafft, dass seine Produkte Word, Powerpoint und Excel heute quasi zu Schulfächern erhoben wurden. Mein Sohn hat unlängst eine Note Abzug für ein Referat bekommen, nur weil er normale Folien zur Präsentation benützte und nicht Powerpoint. Wenn das nicht so skandalös wäre, müsste man Bill Gates dafür gratulieren.

Was brauchen denn Kinder aus Sicht eines Hirnforschers?
Wir schauen den Gehirnen mit unseren Scannern ja bei der Arbeit zu, und am aktivsten sind sie, wenn Menschen mit Menschen zu tun haben. Ältere Menschen fragen mich oft, ob das tägliche Lösen von Kreuzworträtseln gutes «Gehirnjogging» gegen Alzheimer sei. Meine Antwort lautet immer: Wenn Sie jeden Tag einen Enkel hüten würden, wär das für Ihr Gehirn besser, weil es stärker gefordert wäre.

Gilt das auch für Kinder?
Ja. Ein Beispiel: In einer Studie hat man Schüler gefilmt, die Bruchrechnen lernen sollen. In der US-amerikanischen Klasse erklärt der Lehrer, wie es geht, und teilt dann Zettel mit Aufgaben aus, die jeder für sich allein lösen muss. In der japanischen Schule dagegen teilt der Lehrer die Klasse in zwei Gruppen, und jede Gruppe soll sich für die jeweils andere Aufgaben ausdenken. Ist doch klar, was passiert: Die sind mit Eifer dabei, den anderen möglichst harte Nüsse zu geben – da laufen Impulse durch die Synapsen, dass es eine Freude ist. Wer hingegen allein vor einem Blatt sitzt mit Aufgaben, die sich «der gemeine Lehrer» ausgedacht hat, dessen Gehirn ist nicht sehr angeregt.

Der Unterschied lässt sich messen?
Ja, die Unterschiede beim Lernerfolg sind extrem: Der beste Amerikaner war immer noch schlechter als der schlechteste Japaner. Und das übrigens, obwohl in den USA 25 Kinder in einer Klasse waren und in Japan 37. Es kommt also darauf an, einen Lernstoff mit Freude durchzuarbeiten, das hinterlässt die tiefsten Erfahrungsspuren im Gehirn.

Reines Pauken ist sinnlos?
Ohne Motivation lernt der Mensch nichts. Es braucht motivierte Schüler, motivierte Lehrer. Ein Philosophieprofessor, der seinem neun Monate alten Baby Kant vorliest, macht das als Kant-Fan mit Emphase. Das merkt der Kleine und ist entsprechend aufmerksam, auch wenn er natürlich kein Wort versteht. Wenn der Professor stattdessen gelangweilt Mickey Mouse vorliest, weil ihn das nicht interessiert, verliert sein Kleiner bald die Aufmerksamkeit. Preisfrage: In welchem Fall lernt das Gehirn die Sounds der deutschen Sprache wohl besser?

Nur ein begeisterter Lehrer kann auch seine Schüler begeistern.
Genau. Der Lehrer muss das Interesse am Fach vorleben. Viele glauben ja, dass mit der Verfügbarkeit von Medien oder Informationen im Internet der Lehrer überflüssig wird. Das Gegenteil ist der Fall. Der Lehrer ist nicht nur nicht ersetzbar, er wird durch die weltweite Verfügbarkeit von Informationen eigentlich erst besonders wichtig.

Warum schaffen es trotzdem so wenig Lehrpersonen, diesen Spass am Lernen in den Kindern zu wecken?
Die übliche Lehrerschelte in den Medien halte ich für ungerechtfertigt, es gibt sehr viele sehr gute Lehrer. Aber sie haben es auch nicht leicht. Früher mussten Kinder bei der Heuernte und beim Kartoffellesen helfen, da war Schule für sie eine spannende Alternative. Heute gilt alles andere als viel spannender und die Schule nur noch als langweilig.

Eine unangenehme Unterbrechung der Freizeit.
Ja. Freiburger Kollegen haben dazu vor einigen Jahren eine interessante Studie gemacht. An mehr als 200 Schülern massen sie während 23 Stunden Herzfrequenz, Blutdruck und Hautwiderstand, also Grössen, die über die emotionale Erregtheit Auskunft geben. Gleichzeitig haben sie die Kinder immer wieder gefragt, wie es ihnen geht. Ergebnis: Während die Schüler immer wieder behaupten, sie hätten grossen «Schulstress», sind sie rein physiologisch kurz vor dem Tiefschlaf, ihre emotionale Beteiligung ist vollkommen am Boden. Am Nachmittag dagegen vor dem Bildschirm gehen die Emotionen rauf und runter, aber die Kinder sagen, sie würden sich dabei entspannen. Was können Lehrer noch tun, wenn sie vor dösenden, übermüdeten Kindern stehen, die erst wieder beim Computerspiel am Nachmittag richtig aufwachen? Die Lehrer kämpfen gegen Hollywood auf fast verlorenem Posten.

Was würden Sie ändern, wenn Sie Bildungsminister wären?
Es gibt Systemfehler in der Ausbildung von Lehrern. Sehen Sie, ich bin hier Arzt und Klinikchef und bilde Ärzte aus. Das kann ich, weil wir es hier jeden Tag mit Patienten zu tun haben; ich komme gerade von der Visite. Was aber würden Sie von mir halten, wenn ich einen Depressiven zum letzten Mal vor 25 Jahren gesehen hätte? Bei vielen Pädagogikprofessoren ist das aber so, die haben ihren letzten Grundschüler vor 25 Jahren gesehen und kennen die Realität an den Schulen nicht mehr. Stattdessen werden geisteswissenschaftliche Theorien gelehrt, die zum Teil von vorvorgestern sind. Viele Probleme an den Schulen hängen mit dieser Realitätsferne der Lehrerausbildung zusammen. So wie die Medizinerausbildung Patienten braucht, braucht die Lehrerausbildung Schüler.

Also?
An jede erziehungswissenschaftliche Fakultät einer Uni, an jede pädagogische Hochschule gehört eine Schule, mittenrein.

Wo liegen die grössten Defizite der Lehrer?
In der Schule wird zu früh und zu schnell abstrahiert, es werden zu früh Regeln als Regeln vermittelt. Damit nimmt man den Schülern die Chance, aus den Beispielen die Regeln selbst zu entwickeln und zu erkennen. Mathematik und Englisch lernt man nicht, indem man die Regeln paukt, sondern indem man rechnet und spricht. Die Grammatikregeln unserer Muttersprache lernen wir völlig unbewusst. Wir haben Regeln im Kopf, von denen wir keine Ahnung haben.

Ein Beispiel?
Meine Lieblingsregel der deutschen Grammatik lautet: Verben auf «-ieren» bilden das Partizip ohne «ge-»: interessieren – interessiert; spazieren – spaziert. Das machen Sie richtig, ohne nachzudenken.

Nun, diese Wörter haben wir halt als Kleinkinder gelernt. Das beweist noch nicht, dass unser Unterbewusstsein Regeln beherrscht.
Ich kann Ihnen beweisen, dass Sie die Regel beherrschen. Wie lautet das Partizip von «quangen»?

Gequangt.
Und von «patieren»?

Patiert.
Sehen Sie: Sie können Wörter beugen, die es nicht mal gibt, die Sie nie vorher gehört haben. Ihr Gehirn hat nicht alle je gehörten Verben und ihre verschiedenen Formen in einer Excel-Tabelle gespeichert, sondern eine Regel gebildet, die Sie bei Bedarf richtig anwenden, obwohl Sie sie gar nicht kennen.

Fremdsprachen lernt man nicht so leicht. Wie unterrichtet man die am besten?
Falsch ist es, wenn man die Grundschullehrerin dazu zwingt, Englisch zu unterrichten, obwohl sie es nicht wirklich kann. Dann quält sie sich, was die Kinder nach fünf Minuten merken, und sie verinnerlichen die Regel: Fremdsprache macht keinen Spass. Und dann wird das natürlich auch mit dem Lernen nichts. Ganz anders, wenn man zum Beispiel einen Amerikaner hat, der den Sportunterricht auf Englisch macht. Wenn es dem Spass macht, macht das auch den Kindern Spass, da lernen sie ruck, zuck Englisch, weil man da miteinander umgeht, sofort Feedback hat, weil da das Verstehen auch einen ganz praktischen Zweck hat.

Was halten Sie von Frühenglisch?
Hier in der Nähe gibt es eine internationale Schule mit Kindergarten, wo eine Amerikanerin mit den Drei- und Vierjährigen nur englisch spricht. Das funktioniert sehr gut. Ansonsten gilt, dass täglich zehn Minuten effektiver sind als zwei kompakte Stunden pro Woche. Bei vielen kleinen Episoden entstehen tiefere Spuren. Es gibt Studien aus Kanada, die zeigen, dass frühe Zweisprachigkeit – anders als manche meinen – keine negativen Folgen hat. Zweisprachig aufwachsende Kinder beginnen mit dem Sprechen unter Umständen ein paar Monate später, überholen die einsprachigen Kinder aber bald in ihrer sprachlichen Kompetenz. Denn sie können ja die eine Sprache durch die andere sozusagen von aussen betrachten. Das Defizit der Einsprachigkeit kann man zum Beispiel an Amerikanern beobachten, die oft nur englisch können – wie schwer sie sich tun, auch nur ein paar Worte in einer anderen Sprache zu sprechen.

Herr Spitzer, Ihr kreativer Output ist umwerfend – man hat Sie auch schon als «Tausendfüssler unter den Wissenschaftlern» bezeichnet. Wie schaffen Sie das alles?
Ich bin ein neugieriger Mensch und hoch motiviert, die Bildungslandschaft zu verändern. Ich schaffe das alles auch deshalb, weil ich keine Minute vor dem Fernseher vergeude.

Gibt es etwas, was Sie gar nicht interessiert?
Fussball. Das finde ich total langweilig. Wie können 22 Mann 90 Minuten lang einem Ball hinterherrennen?

Quelle:

 http://www.weltwoche.ch/ 23.06.2006




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